Einverständliche Scheidung

Darf der Anwalt bei „einvernehmlicher Scheidung“ beide scheidungswilligen Ehegatten beraten oder vertreten?

Häufig möchten gerade solche scheidungswilligen Eheleute, die sich eine einvernehmliche Scheidung – ohne ´Rosenkrieg´ –
wünschen, schon den ersten Besprechungstermin beim Anwalt zusammen mit dem Ehegatten wahrnehmen. Das ist grundsätzlich möglich.

Es muß allerdings direkt zu Beginn des Beratungsgesprächs festgelegt werden, wessen Interessen der Anwalt verpflichtet ist; denn: Werden im Laufe der Beratung widerstreitende Interessen deutlich, müßte der Anwalt das Mandat sofort – zu beiden Eheleuten –
niederlegen, damit er sich nicht wegen „Parteiverrats“ strafbar macht (§ 356 Strafgesetzbuch).

Aber auch, wenn widerstreitende Interessen bei der Beratung nicht deutlich werden, die Ehegatten sich in allen Punkten einig sind und daher eine so genannte „einverständliche Scheidung“ anstreben, liegt ein Verstoß gegen anwaltliches Standesrecht vor. § 43 a IV der anwaltlichen Berufsordnung (BRAO) verlangt vom Anwalt, dass er stets schon den Anschein einer Vertretung widerstreitender Interessen vermeidet.
Unzweifelhaft darf der Anwalt daher in einem Scheidungsverfahren nie beide Ehegatten gleichzeitig, sondern immer nur einen von ihnen vertreten.

Aber auch schon ein bloßer anwaltlicher Beratungsvertrag, den der Anwalt mit beiden Eheleuten gleichzeitig abschließt – etwa mit dem Auftrag, eine Scheidungsfolgenvereinbarung zu entwerfen -, bedeutet einen Verstoß gegen § 43 a IV BRAO. Konsequenz ist, dass der zu Grunde liegende Anwaltsvertrag sittenwidrig und daher nichtig (§ 138 BGB) ist, so dass auch kein Vergütungsanspruch des Anwalts entsteht (Landgericht Hildesheim, Urteil vom 12. März 2004).

Nach herrschender Meinung treten bei einer Scheidung gerade typischerweise Interessenkonflikte auf. Auch eine vermeintliche Interessengleichheit beruht in der Regel auf fehlender rechtlicher Aufklärung eines der Ehepartner oder aufgrund psychischen Drucks des anderen – auch wenn die Eheleute überzeugt sind, sich einig zu sein. Deswegen darf der Rechtsanwalt nicht beide Parteien gleichzeitig vertreten. Wenn scheidungswillige Eheleute gemeinsam beim Rechtsanwalt erscheinen, ist dieser verpflichtet, sofort zu klären, welche der beiden Parteien er vertreten wird.

Das muss der Rechtsanwalt selbst dann sofort klarstellen – wie das Gericht konsequent betont -, wenn die scheidungswilligen Eheleute mit dem ausdrücklichen Wunsch an ihn herantreten, sie beide zu beraten – häufig verbunden mit der Anmerkung, man wolle lediglich gütlich festlegen, was – z. B. wie viel (Unterhalt) – dem einen Ehegatten vom anderen Ehegatten „zusteht“. Auch wenn er für die Eheleute eine Scheidungsfolgenvereinbarung entwirft, darf nur einer der Ehegatten der Auftraggeber und Vertragspartner des Anwalts sein, jeoch nie beide Eheleute gleichzeitig.

Anders ist es nur dann, wenn der Anwalt von vorneherein als neutraler Mediator mit der Schlichtung beauftragt wird. Ein anwaltlicher Mediator darf allerdings – weil er eben neutral ist – keinen der beiden Ehegatten im (späteren) Scheidungsverfahren vertreten (s.o.), so dass hiermit notgedrungen (mindestens) ein weiterer Anwalt beauftragt werden muss.

Der beratende Rechtsanwalt ist auch nicht mit einem Notar zu vergleichen. Aufgabe des Notars im Familienrecht ist die Beurkundung von Trennungs- und Scheidungsfolgenvereinbarungen, wenn zur Formwirksamkeit die notarielle Beurkundung erforderlich ist. Der
Notar ist unparteiischer Betreuer beider Beteiligten, schuldet aber im Gegensatz zum Anwalt keine umfassende Rechtsberatung. Während ein Rechtsanwalt den Anschein der Vertretung widerstreitender Interessen zu vermeiden hat, hat ein Notar – ganz im
Gegenteil – „jedes Verhalten zu vermeiden, dass den Anschein …. der Parteilichkeit erzeugt“ (§ 14 Abs. 3 der Bundes-Notarordnung).

Um Missverständnissen vorzubeugen: Selbstverständlich hindert den Anwalt seine Stellung als parteiischer Interessenvertreter
keineswegs daran, in Vergleichsverhandlungen mit der anderen Partei /dem anderen Ehegatten – ob dieser nun seinerseits anwaltlich vertreten ist oder nicht – einzutreten und auf eine gütliche Einigung hinzuwirken. Gerade ein Anwalt, der seinen Tätigkeitsschwerpunkt im Familienrecht hat, sollte im Interesse beider Parteien – und nicht zuletzt der gemeinsamen Kinder – stets entsprechende Versuche unternehmen.
Die anwaltliche Berufsordnung verlangt vom Anwalt lediglich, dass für den anderen Ehegatten von Anfang an transparent ist, wessen Interessen vertreten werden und wessen nicht. Andernfalls besteht die nicht unerhebliche Gefahr, dass der andere Ehegatte sprichwörtlich „über den Tisch gezogen wird“. Deswegen ist der Rechtsauffassung des Landgerichts Hildesheim auch zuzustimmen

Alexander Heumann
Fachanwalt für Familienrecht

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